Ich kann (will) mir eigentlich nicht vorstellen, dass dieses Software-Update nicht ausgiebig getestet wurde, bevor es die Freigabe von Ford gab, zumal es ja acht Monate gedauert hat, bis die Software fertig war.
Das Problem ist die Software-Logistik von Ford in Kombination mit der Update-Politik der Werkstätten.
Jedes moderne Fahrzeug (mit Ausnahme z.B. von Tesla) hat eine zweistellige Anzahl an Steuergeräten, die alle aus Hard- und Software bestehen. D.h. für jedes Steuergerät gibt es eine Software, die das Verhalten des Steuergeräts bestimmt. Diese Software wird regelmäßig weiterentwickelt und versioniert.
Alle Steuergeräte, Sensoren, Aktoren etc. im Fahrzeug sind über ein Bussystem miteinander verbunden und bilden ein Gesamtsystem. Die Version dieses Gesamtsystems wird durch die Kombination der Software-Versionen auf den Steuergeräten bestimmt.
Wenn Ford jetzt die Software eines einzelnen. Steuergeräts verändert, z.B. im Rahmen eines Rückrufs, so sollten die anschließenden Tests in mehreren Stufen ablaufen, angefangen vom einzelnen Steuergerät an einem Prüfplatz bis schlussendlich der neue Stand in einem Integrationstestfahrzeug auf der Strasse verprobt wird.
Die Frage ist jetzt, welchen Systemzustand haben diese Testfahrzeuge. Vermutlich dürften alle Steuergeräte in den Fahrzeugen den jeweils aktuellsten Stand mit der neusten Version haben.
In Kundenhand haben die Fahrzeuge aber nicht diesen definierten Zustand. Die Fahrzeuge sind zu unterschiedlichen Zeitpunkten gebaut worden mit den zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Softwareständen. In Kundenhand sind dann bekanntermaßen nicht regelmäßig bei den Werkstattaufenthalten die aktuellsten Versionen der Steuergeräte-Software aufgespielt worden, sondern punktuell immer nur die, zu denen es Rückrufe, Serviceaktionen, Kundenbeschwerden etc. gegeben hat.
Somit ist jedes Fahrzeug ein Unikat im Bezug auf seinen Gesamtzustand.
Wenn man dort ein Update einbringt, das nur mit dem aktuellsten Werkszustand getestet worden ist, können im Zusammenspiel beliebige Phänomene auftreten.
Wenn man jetzt noch dazu rechnet, dass sich bei den Steuergeräten nicht nur die Software, sondern auch die Hardware weiterentwickelt, wird das Ganze noch eine Dimension komplexer und herausfordernder in der Beherrschung.
Um mal wieder den Vergleich mit dem ebenfalls sehr komplexen System Handy zu machen: Apple drängt die Benutzer seiner Produkte nicht von ungefähr zu regelmäßigen iOS-Updates. Nur dadurch ist der Zustand des Geräts aktuell und definiert, und das Zusammenspiel mit anderen Systemen (z.B. CarPlay) muss vom Hersteller nur für den aktuellen Stand getestet werden und nicht für unzählige alte Versionen.
Fazit: Für viele Blechbieger ist IT immer noch Neuland.